Gedanken zur Konzeption des Digitalpfarramts des ev.-luth. Kirchenkreises Delmenhorst/Oldenburg-Land

Zusammengetragen für den Seminartag „Künstliche Intelligenz und pastorale Identität“ am 23.06.2025 im ev. Predigerseminar Wittenberg.

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Gedanken zur Konzeption des Digitalpfarramts
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Gedanke 1: Mission Statement

Ich habe meine Arbeit als Digitalpfarrer auf vier Säulen ausgerichtet:

Gemeinschaft – Vernetzung – Fortbildung – Kommunikation.

Um das zu erreichen, bin ich im Gespräch mit Menschen aus den Kirchengemeinden meines Kirchenkreises und in der EKD, mit Menschen außerhalb von Kirche, die sich durch Fachkenntnisse auszeichnen (und selbst vielleicht auch einen Glauben haben) und natürlich auch mit Gott durch Gebet und durch Verkündigung des Evangeliums.

Kurz zusammengefasst ist das Digitalpfarramt des Kirchenkreises Delmenhorst/ Oldenburg-Land keinSocial-Media-Pfarramt, und auch kein „Nerd“-Technik-Pfarramt, sondern in nuce eine 50% Funktionspfarrstelle, in der ich versuche, das beste für die Menschen in meinem Kirchenkreis, für meine Landeskirche, die ev.-luth. Kirche in Oldenburg, und für die Menschen, denen ich begegne, herauszuholen. Dazu setze ich gleichermaßen analoge, hybride und digitale Mittel ein.

Gedanke 2: Digital/hybrid/analoge Kommunikation des Evangeliums

Ich kommuniziere das Evangelium durch moderne Mittel, aber mit zeitlosen Haltungen.  

Das geschieht:

  • Durch Podcasts (Predigten, Interviews oder Bibelpodcasts in drei Perspektiven: Archäologie, Storytelling und Theologie).
  • Durch Workshops zum Thema KI, die eigentlich „trojanische Pferde“ sind, um darüber zu reden, in welcher Zukunft wir in Kirche und Gesellschaft eigentlich leben wollen.
  • Durch Lehren: Seminare und Vorträge, in denen ich meine „Learnings“ weitergebe, um anderen neue Denkweisen zu ermöglichen / Fingerzeige zu geben.
  • durch Lernen: Vernetzung mit anderen Akteur:innen auf dem Gebiet von Technik und Glaube: Ich habe nicht die Antworten gepachtet, ich bin auf der Suche, auch mit euch.
  • durch gesellschaftliche Verantwortung: Social Media als Haltungskommunikation, nicht um den „Algorithmus“ zu füttern. Denn „was das Herz (wirklich) voll ist, fließt das Social Media über“.
  • durch gemeinsame Gottesdienstfeiern auch über hunderte Kilometer hinweg: Gemeindehybridgottesdienste Delmenhorst-Graz, wir feiern einfach mit Kamera und Ton und Zoomkonferenz und gemeinsam mit zwei Gemeinden Gottesdienst und Abendmahl und Predigt simultan: Gemeinden werden als Gemeinschaften anerkannt und sind in sich „stabil“ (falls zB das Internet ausfiele) und sind gleichzeitig offen und neugierig auf eine neue Gemeinschaft.
  • durch Plotterworkshops, in denen es scheinbar vordergründig um Technik und prökeln geht, aber eigentlich um Gemeinschaft und das Vermitteln von Selbstwirksamkeit und -ausdruck.

Gedanke 3: Die Frage nach dem Warum

Der amerikanische Autor und Unternehmensberater Simon Sinek beschreibt in seinem Buch „Start with why“ unternehmerisches Handeln in drei konzentrischen Kreisen:

  • In der Mitte steht das „Why“, das „Warum“.
  • Darum herum steht das „How“, das „Wie“.
  • Im äußeren Kreissegment steht dann das „What“, also das, was man tut.

Ein wichtiges Learning meiner bisherigen Arbeit ist:

Warum reden wir in kirchlichen Bezügen so selten über das „Warum“ unseres Handelns?

Warum werdet ihr Vikar:innen? Warum möchtet ihr Pastor:innen werden?

Es hat mich doch recht erstaunt, wie vielen Menschen bis in die Ebene eines Oberkirchenrates die Beantwortung dieser Frage schwer fällt, gerade nach vielen Berufsjahren.

Deswegen mache ich was Sinek vorschlägt, ich starte mit dem „Warum“. Und das mache ich so:

In meiner praktischen Arbeit mit Kirchengemeinden, Kolleg:innen oder Menschen, die mich für Seminare/Vorträge anfragen, gehe ich immer diese Fragen durch, ein bisschen wie die sokratische Hebamme:

  • Warum möchtest du digital arbeiten? 
  • Wofür stehst du, deine Gemeinde, deine Institution?
  • Welches Ziel strebst du an?
  • Das alles passt theoretisch auf eine Briefmarke oder einen Bierdeckel. Denn es gibt die Haltung wieder, auf der jegliches Handeln basiert. Natürlich findet man das nicht mal eben so durch ein Vorbereitungsgespräch, aber die Begründungen, warum man jetzt unbedingt ein großes Videoprojekt machen wollte, fallen leichter.
  • Wenns gut läuft, hat der Mensch mit dem ich spreche, sich selbst ein bisschen besser kennengelernt.

Daraus ergeben sich dann operative Entscheidungen oder die Methoden – die Strategie:

  • Wie können wir dein Ziel erreichen?
  • Mit wem bist du verbunden?
  • Wie können neue Menschen miteinander verbunden werden?
  • Wenn klar ist, auf welcher Haltung und Zielsetzung das Projekt basiert, lassen sich die verschiedenen Zugangsweisen an ein Projekt gut auswählen. Passt es zum Ziel? Ist es mit der Haltung vereinbar?
  • In diesem Moment kann es auch passieren, dass man auf ganz neue Projektideen kommt, die vorher überhaupt nicht im Blick waren.

Und schließlich, wenn Haltung und Strategie geklärt sind, dann ist das „Was“, das vorher vielleicht aus dutzenden Möglichkeiten der Realisation bestand, recht schnell geklärt:

  • Beispiel Mikrofone in einer Kirchenanlage: Wenn ich weiß, welches litugrisches Verständnis die Gemeinde hat, ob und wie und welche Beteiligte am Gottesdienst mitwirken (und im Optimum alle sich der theologischen Bedeutung der Feier klar sind), ist logisch, welche Anlage gebraucht wird (genauer: Was nicht) und welche Mikrofone dieses Ziel erreichen. Ein Techniker:innen-Besuch ist dann super vorbereitet und man kann informiert und für sich nachvollziehbar ja und nein zu bestimmten Angeboten sagen.
  • Denn es geht extrem selten um Technik, sondern um das, was man damit erreichen will!

Ein wichtiger pragmatischer Gedanke dabei: Gerade Technikprojekte sind oft zeit-, arbeits- und geldintensiv. Wir können uns das mit vakanten Pfarrstellen und übervollen Terminplänen und sinkenden Finanzen nicht mehr leisten, „nur weil es alle machen“ oder „weil es immer schon so gemacht wurde“ oder „was sollen denn die Nachbar(gemeinden) denken“ technische Projekte zu machen.

Wenn man so denkt, probiert man entweder keine Technik aus oder man überfordert sich komplett. Gerade bei Videoprojekten ist das ein sehr wichtiges Thema.

Wenn ich hingegen meine Haltung, meine Ziele und meine intrinsische Motivation kommunizieren kann, ist es sehr viel leichter, Mitstreiter:innen zu finden, die mich bei dem Projekt unterstützen.

Gedanke 4: Meine Haltung

Wenn ich meine bisherige Haltung auf einen Bierdeckel schreiben müsste, wäre das:

  • Teilhabe und Selbstwirksamkeit ermöglichen –
  • Transparenz und Gerechtigkeit sicherstellen –
  • Macht- und Privilegienmissbrauch eindämmen – 
  • Verantwortung übernehmen, ohne wenn und aber.

Das ist nicht abschließend, aber ich bemerke in der Reflexion immer wieder, dass ich oft an diesen Maßstäben handle, wenn ich entscheide, wie und was ich tue. 

Wir stehen vor unabsehbaren Zukunftsherausforderungen: die Existenz von Gemeinden und Kirche als Institution an sich steht in Frage. Klima, Krisen, Kriege und Katastrophen tun ihr übriges, um Menschen immer mehr anzuspannen, auseinander zu treiben und gegeneinander aufzuhetzen.

Digitale Bubbles werden durch winzige Ich-Bläschen ersetzt, Menschen vereinzelt und Themen immer komplexer und schneller vermittelt, Fake News stellen den Wahrheitsbegriff an sich in Frage. Künstliche Intelligenz beschleunigt diese Prozesse enorm und deutlich. 

Wo bleiben wir als Kirche – als Christ:innen – als Amtspersonen – in diesem Strudel?

Es ist unsere Verantwortung, dass wir als Menschen in Kirche mit Menschen aus der Zivilgesellschaft gemeinsam nach Lösungen finden, dass wir in einer lebenswerten und gerechten Welt leben können. Die Zeiten von „wir kapseln uns ab“, „das kann ja jemand anders machen“ oder „ist ja nicht mein Problem“ sind vorbei – oder wir sind vorbei.

Gedanke 5: Ausblick

Ich bin gespannt, wo die Reise mit dem Digitalpfarramt hingehen wird.

Im besten Fall braucht es so ein „Digitalisierungspfarramt, dass sich um die Zukunft der Kirche Gedanken macht und Lösungsangebote macht“ irgendwann gar nicht mehr, weil alle Kolleg:innen diese Querschnittaufgabe übernehmen.

Mal sehen, wann das passiert. Ich freue mich auf jeden Fall sehr, heute mit euch im Gespräch zu sein und eure Fragen zu meiner Arbeit zu beantworten. Vielen Dank.

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