Gehalten beim Praxisforum Digitalisierung Oldenburg am 09.05.2025
Hier findest du die dazugehörige Präsentation und hier den Vortragstext als PDF.

Einstieg
Folie 1: Titelbild
Hallo erstmal.
Ich freue mich sehr, heute hier zu sein.
Ich kann mir vorstellen, was ihr vielleicht denkt.
Warum steht da einer von der Kirche
bei einem Digitalisierungsforum für den Mittelstand?
Hat der sich verlaufen?
Pause.
Vielleicht.
Aber vielleicht passt es auch besser, als ihr denkt.
Folie 2:
Kirche ist der Mittelstand Gottes.
Wir als Kirche sind älter als jedes Familienunternehmen.
Wir haben viele Standorte.
Viele Ehrenamtliche.
Zu wenig Personal.
Kaum Budget.
Und einen großen Kommunikationsauftrag.
Man könnte auch sagen:
Wir sind ein Konzern mit lokaler Prägung.
Aber das greift zu kurz.
Denn die evangelische Kirche funktioniert nicht zentralistisch.
Sie lebt von Nähe.
Von Menschen, die Verantwortung übernehmen.
Von Strukturen, die oft eher an einen soliden Mittelstand erinnern
als an einen globalen Riesen.
Mittelstand bedeutet: Nähe zum Menschen.
Flexibilität trotz begrenzter Ressourcen.
Entscheidung unter Unsicherheit.
Man übernimmt Verantwortung für Mitarbeitende –
und für die Region.
Klingt bekannt? Für uns auch.
Darum bin ich überzeugt:
Kirche und Mittelstand können voneinander lernen.
Gerade jetzt, wo sich durch Digitalisierung unsere Art zu arbeiten,
zu leiten, zu kommunizieren so grundlegend verändert.
Folie 3:
Who puts KI into Kirche?
Ein paar Worte zu meiner Person.
Ich bin kein Techie im Talar.
Aber ich bin jemand, der sonntags predigt
und werktags digital arbeitet.
Mein Name ist Christoph Martsch-Grunau,
ich bin seit 2022 Digitalpfarrer
im Kirchenkreis Delmenhorst/Oldenburg-Land.
Ich bringe die Tradition der Kirche ins Gespräch
mit moderner Technologie,
entwickle digitale Gottesdienstformate,
berate Kolleg*innen zu Social Media und KI
und unterstütze Ehrenamtliche
in der Umsetzung ihrer digitalen Ideen.
Ich nenne mich im Netz @elektropastor.
Nicht, weil ich strombetrieben bin –
sondern weil ich glaube:
Wir müssen als Kirche anschlussfähig sein.
Ich will zeigen, dass Digitalisierung
nicht das Gegenteil von Glaube ist.
Sondern ein Raum, in dem wir neue Formen
von Gemeinschaft, Sinn und Kommunikation
erproben können.
Ob Podcasts, 3D-Druck, hybride Gottesdienste
oder KI-Workshops – ich bin da unterwegs,
wo sich digitale Lebenswelten
mit Glaubensfragen überschneiden.
Ich habe gelernt:
Digitalisierung ist nicht nur Technik.
Es ist ein Kulturwandel.
Und der betrifft uns alle –
vom Weltkonzern bis zur Dorfkirche.
Deshalb bin ich hier:
nicht als Exot, sondern als jemand,
der wie ihr nach Antworten sucht:
Wie kann ich digitale Tools sinnvoll nutzen,
ohne dabei das Menschliche zu verlieren?
Teil 1: Praxis
Folie 4:
Wie entsteht eine Predigt?
Ich nehme euch heute mit in meinen Alltag.
Ich bin Pastor –
ganz klassisch mit Gottesdiensten, Beerdigungen, Trauungen.
Aber eben auch digital unterwegs.
Mehrmals im Monat sitze ich an einer Predigt.
Nicht einfach so.
Sondern mit System.
Eine Predigt ist im Grunde ein wöchentlicher Impuls
für Menschen von 9 bis 90.
Mit einem biblischen Text, einem Bezug zur Gegenwart
und – ganz wichtig – dem ehrlichen Versuch,
Herz und Hirn gleichzeitig zu erreichen.
Folie 5: Bild PodPredigt-Logo
Damit dieser Impuls nicht nur im Gottesdienst ankommt,
veröffentliche ich meine Predigten gemeinsam
mit meinem Kollegen Robert auch als Podcast – die PodPredigt.
So erreichen wir Menschen dort, wo sie gerade sind:
unterwegs zur Arbeit, im Alltag, beim Spaziergang
oder auf dem Sofa.
Kirche zum Anhören also.
Aber das klingt leichter, als es ist.
Denn jede Woche, in der ich mit der Predigt dran bin,
beginnt ähnlich:
Ich lese den Text.
Ich denke nach.
Ich bete.
Ich hole mir einen Kaffee.
Ich starre auf das leere Blatt.
Und dann kommt dieser Moment: der leise Druck.
Die Erwartung.
Und die Frage: Habe ich heute etwas zu sagen?
Das ist der Moment, den vermutlich einige von euch kennen.
Vielleicht nicht mit Bibeltexten,
aber mit Angeboten, Reden, Projektanträgen oder Mailings.
Dieser Moment, in dem man denkt:
Ich brauche einen Anfang.
Eine Idee.
Einen ersten Satz.
Und genau da kommt bei mir manchmal ChatGPT ins Spiel.
Nicht als Retter in der Not.
Nicht als Predigtmaschine.
Sondern als kreativer Sparring-Partner oder Starthilfe.
Folie 6:
„Schreibe eine Predigt.“
Ein Klick.
Ein Prompt.
Eine neue Perspektive.
So stellt man sich das vor: schnell, effizient, kreativ.
Dieser kreative Prozess ist aber kein reines Aneinanderfügen.
Es ist ein Reflexionsprozess –
zwischen mir, meiner Erfahrung, meiner Absicht –
und der Maschine, die Vorschläge macht,
aber keine Verantwortung trägt.
Die KI gibt keine Antworten.
Aber sie provoziert Fragen.
Auch wenn sie sie nicht immer stellt.
Folie 7:
„Schreibe eine Predigt zu Matthäus 6,25: <Bibelvers>“
Und diese Fragen treffen auf ein Handwerk,
das über Jahrhunderte gewachsen ist.
Predigten entstehen nicht zufällig.
Sie folgen einem strukturierten Weg:
Ich beginne mit der Auswahl des Textes –
oft durch das Kirchenjahr vorgegeben.
Folie 8:
„Schreibe eine Predigt zu Matthäus 6,25: <Bibelvers>. Thema Vertrauen in Krisenzeiten.“
Dann studiere ich den Bibeltext,
ziehe Übersetzungen und Kommentare heran,
frage nach historischen, sprachlichen
und geistlichen Zusammenhängen.
Ich halte inne – im Nachdenken, im Gebet.
Ich frage mich:
Was sagt dieser Text – zu mir, zu uns, zu jetzt?
Folie 9:
„Schreibe eine Predigt zu Matthäus 6,25: <Bibelvers>. Thema Vertrauen in Krisenzeiten. Richte dich an Menschen, die vor kurzem einen geliebten Menschen verloren haben.“
Danach richte ich den Blick auf die Menschen,
für die ich predige.
Was bewegt sie?
Was brauchen sie?
Daraus entsteht der rote Faden,
die Gliederung, der Hauptgedanke.
Erst dann schreibe ich.
Und überarbeite.
Immer wieder, bis es passt.
Wenn ich KI einsetze, dann nicht als Abkürzung.
Sondern als Werkzeug in diesem Handwerk.
Sie kann mir Bibelstellen vorschlagen,
theologische oder gesellschaftliche Kontexte verdichten,
sprachlich unterstützen.
Aber sie nimmt mir weder das Ringen
um die richtige theologische Auslegung ab
noch die geistliche Verantwortung.
So kann ein Ergebnis von KI aussehen:
Folie 10: Auszug ChatGPT-Predigt
Auszug aus der generierten Predigt.
Nicht perfekt. Aber es ist ein Start.
Und genau da beginnt die eigentliche Arbeit.
Denn was ChatGPT liefert, ist kein fertiger Text,
sondern ein Impuls – ein erster Aufschlag.
Ich nehme diesen Text in den Canvas-Modus,
überprüfe die Struktur,
markiere Passagen, die sprachlich oder inhaltlich nicht passen,
und mache daraus mein eigenes Werk.
Manchmal ist es eine Formulierung,
die mich weiterdenken lässt.
Manchmal ein Gedanke,
den ich komplett verwerfe.
Ich ergänze, verdichte, formuliere um.
Ich bringe eigene Erlebnisse ein.
Ich baue Übergänge und prüfe den Rhythmus.
Folie 11: Auszug ChatGPT-Predigt
Im Canvas Modus mit „Frag ChatGPT“-Fenster.
Ich nutze die KI wie einen Steinbruch:
Ich nehme heraus, was sich verbauen lässt –
aber das Gebäude errichte ich selbst.
Und in diesem Prozess entsteht ein Zwiegespräch –
mit der Maschine, aber auch mit mir selbst.
Was davon trägt meine Haltung?
Was widerspricht meinem Glauben?
Wo bringt mich ein Vorschlag auf eine neue Spur?
Am Ende ist es mein Text.
Geformt mit Werkzeugen, aber verantwortet von mir.
Und genau das ist der entscheidende Punkt:
Die KI gibt keine Antworten.
Sie hilft mir, eigene zu finden.
Das bleibt – KI hin oder her – mein Job.
Folie 12:
KI macht keine besseren Pfarrer:innen. Aber entspanntere.
Ich nutze KI nicht nur für Predigten.
Auch für Gemeindebriefe, Andachten,
Instagram-Posts oder zur Vorbereitung auf Konfistunden.
Und genau da wird’s spannend:
Denn das, was ich tue, ist gar nicht so weit weg von dem,
was ihr täglich macht.
Ihr schreibt Angebote, Marketingtexte, interne Mails.
Ihr müsst erklären, Vertrauen schaffen, Menschen erreichen –
oft unter Zeitdruck, mit begrenzten Ressourcen
und hohem Anspruch.
Manchmal kommen von der KI Vorschläge,
die ich sofort verwerfe.
Aber gerade dann merke ich:
Ich muss meine Sprache überprüfen.
Meine Bilder.
Meine Zielgruppe.
Wenn ein Vorschlag schon am Anfang klingt
wie mein eigener Text –
was ist dann meine eigene Stimme?
KI kann ein Spiegel sein.
Sie zeigt mir, wo ich routiniert schreibe.
Wo ich unklar bin.
Wo ich mich hinter Floskeln verstecke.
Das ist unbequem.
Aber es macht mich aufmerksamer.
Und am Ende auch entspannter –
weil ich nicht allein im leeren Raum starte,
sondern mit Impulsen arbeiten kann.
KI ersetzt mich nicht.
Aber sie hilft mir, bei mir zu bleiben.
Und das ist mehr,
als ich von manchen Predigthandbüchern behaupten kann.
Teil 2: Ethik (ca. 10 Min)
Folie 13:
Wer trägt die Verantwortung?
KI ist ein starkes Werkzeug.
Aber es bleibt ein Werkzeug.
Im besten Fall ist sie wie ein E-Bike-Motor:
Sie unterstützt, wenn man selbst in die Pedale tritt.
Aber sie fährt nicht allein.
Wer meint, KI nehme einem das Denken ab,
verkennt ihre Funktion.
Und wer sich hinter der KI versteckt
oder ungeprüft übernimmt, was sie vorschlägt,
gibt seine Verantwortung –
und ein Stück Menschlichkeit – ab.
Denn wenn etwas schiefläuft, kann man nicht sagen:
„Die KI war’s.“
Das ist wie einem Akkuschrauber die Schuld
für ein schiefes Regal zu geben.
Technik ist nie neutral.
Sie wird benutzt – und muss verantwortet werden.
Gerade in der Kommunikation ist das entscheidend.
Denn hier geht es um mehr als Information –
es geht um Beziehung.
Um Vertrauen.
Um Wirkung.
Wenn ich KI nutze, ohne es zu reflektieren
und das transparent zu machen, entsteht ein Bruch.
Nicht, weil der Text schlecht ist –
sondern weil die Verbindung fehlt.
Das Persönliche. Die Handschrift.
Trost, der über einen KI-Text kommt, kann helfen.
Aber echte Beziehung entsteht durch geteilte Wirklichkeit.
Nutze ich KI, um näher an den Menschen zu sein?
Oder nutze ich sie, um mich zu distanzieren?
Das betrifft nicht nur die Kirche.
Ein Betrieb, der mit KI arbeitet,
aber menschlich nicht mehr greifbar ist –
verliert an Glaubwürdigkeit.
Und das gilt für fast alle Branchen.
Denn wo Vertrauen zählt, zählt auch Authentizität.
Menschen merken, wenn Sprache generisch klingt.
Wenn nichts mehr von innen kommt.
KI kann schnell gut klingen – aber selten echt.
Deshalb ist der kluge Einsatz so wichtig:
nicht als Moped, das alleine fährt,
sondern als E-Bike, das Schwung gibt –
aber nur, wenn wir selbst treten.
Am Ende kann Verantwortung nicht delegiert werden.
Die Technik hilft.
Aber entscheiden müssen wir.
Und das bleibt unser Job.
Folie 14
Wir brauchen Ethik. Nicht erst, wenn’s knallt.
Wir brauchen Ethik.
Und zwar nicht erst, wenn’s knallt.
Sondern vorher.
Ethik ist keine Reaktion auf Fehler.
Ethik ist Vorausdenken.
Verantwortung übernehmen,
bevor etwas schiefläuft.
Gerade weil KI-Tools oft unauffällig im Hintergrund laufen,
müssen wir besonders aufmerksam sein.
Denn das, was technisch bequem ist,
ist nicht automatisch menschlich angemessen.
Ich frage mich:
Wieviel Maschine darf in einem Text sein,
den Menschen für Menschen schreiben?
Vielleicht ist das eine neue Variante einer uralten Frage:
Wieviel darf ich etwas an andere abgeben,
bevor es seine – oder meine? – Seele verliert?
Wenn ich einem anderen Menschen das Schreiben überlasse –
sei es ein Ghostwriter oder eine Software –
bleibt es dann noch mein Ausdruck?
Das mag im Alltag pragmatisch sein.
Aber wenn es um Kommunikation geht,
um Sinn, um Beziehung,
dann ist die Frage nicht nur technisch,
sondern tief menschlich zu betrachten.
Folie 15
„Das haben wir immer schon so gemacht!“ – Automation Bias
Dabei spielt ein Denkfehler eine große Rolle:
der sogenannte Automation Bias.
Das ist die Tendenz, automatisierten Systemen
mehr zu vertrauen als menschlichen Entscheidungen –
einfach weil sie automatisiert sind.
Schnell. Strukturiert. Logisch.
Aber genau das macht sie gefährlich.
Denn sobald ich beginne, blind zu übernehmen,
was mir die KI vorschlägt,
übergebe ich nicht nur die Formulierung –
sondern auch mein eigenes Urteilsvermögen.
Und noch mehr:
Was macht es mit mir, wenn ich KI immer dann nutze,
wenn ich selbst nicht mehr weiterweiß?
Wenn ich das leere Blatt sehe und sofort den Prompt eingebe?
Es kann entlastend sein.
Aber es kann auch bequem werden.
Und genau da wird es riskant.
Denn Kreativität entsteht oft gerade aus dem Ringen,
aus der Leere, aus der Unsicherheit.
Wenn ich diesen Raum nie mehr betrete,
verliere ich vielleicht die Fähigkeit,
aus mir selbst zu schöpfen.
Verliere ich dann nicht etwas von meiner eigenen Kreativität? Meiner Stimme? Meinen Glauben?
Wenn alles glatt und rund aus dem KI-Modul kommt,
fehlt das Unfertige, das Ringen, das Persönliche.
Aber gerade das ist oft das, was andere Menschen bewegt.
Nicht Perfektion, sondern aufrichtige Erfahrungen,
die auch mal scheitern können.
KI ist ein Werkzeug. Ein starkes.
Aber sie kann schnell zum Autopiloten werden.
Wenn ich vergesse, nachzudenken,
zu hinterfragen, eigene Worte zu suchen.
Dann übernehme ich nicht nur Vorschläge,
sondern auch Logiken, Muster, Vorurteile,
Denkweisen, die nicht meine sind.
Und das merken andere.
Kunden. Zuhörerinnen. Mitarbeitende.
Nicht sofort. Aber nach und nach.
Und dann fehlt genau das, worauf alles baut:
Vertrauen.
Folie 16:
Nur weil KI etwas kann, müssen wir es nicht einsetzen.
Wir brauchen Rahmen.
Und Mut zur Begrenzung.
Nicht aus Angst vor Neuem,
sondern weil gute Entscheidungen immer auch heißen:
etwas nicht zu tun.
Gerade in einer Zeit, in der alles technisch möglich scheint,
ist die Frage nach dem „Warum“
wichtiger als die nach dem „Wie“.
Sich zu begrenzen zeigt nicht, dass man schwach ist,
sondern dass man sich seiner Reife bewusst ist.
Begrenzung bedeutet, dass wir wissen, was uns wichtig ist –
und was nicht zur Debatte steht.
In der Kirche nennen wir das:
Verantwortung vor Gott und den Menschen.
Ein Gewissen, das nicht nur von außen kommt,
sondern aus einer Haltung heraus lebt.
Ihr würdet im Firmenkontext vielleicht sagen:
Unternehmensethik, Werteorientierung, Leitbild.
Und auch da geht es nicht um Vorschriften,
sondern um Haltung.
Darum, ein Fundament zu haben,
das nicht bei jedem neuen Tool ins Wanken gerät.
Wir brauchen beides.
Technik UND Haltung.
Die Technik kann uns Mühe ersparen,
Prozesse optimieren, Ideen generieren.
Aber die Haltung entscheidet,
ob wir in diesem Tempo auch noch wissen, wohin wir wollen.
Haltung gibt Richtung.
Sie schafft Vertrauen, innen wie außen.
Und sie ist das, was am Ende bleibt,
wenn der digitale Hype weitergezogen ist.
Teil 3: Learnings
Folie 17:
„Um KI als Werkzeug zu benutzen, muss man zuerst das Handwerk verstehen.“ – M. Krüger
Marcel Krüger, ein guter Freund von mir, hat mir mal gesagt:
‚Um KI als Werkzeug zu benutzen,
muss man zuerst das Handwerk verstehen.‘
Und genau das will ich euch mitgeben.
Ich habe euch meine Predigtpraxis mit KI gezeigt –
nicht, weil ihr predigen sollt.
Sondern weil ich glaube:
Wer das eigene Handwerk versteht,
kann KI dafür sinnvoll einsetzen.
Und wer es nicht versteht, läuft Gefahr,
der Technik die Richtung zu überlassen.
Denn wie wollt ihr überprüfen, was die KI generiert?
Ich will euch an ein paar meiner Learnings teilhaben lassen.
Folie 18:
KI kann Themen vordenken – aber nicht entscheiden.
In der Predigtvorbereitung hilft mir KI,
Themenvorschläge zu machen,
Querverbindungen zu sehen,
die ich selbst vielleicht übersehen hätte.
Aber entscheiden –
was dran ist, was passt, was relevant ist –
das bleibt mein Job.
Und genau das gilt für euch auch:
Lasst euch inspirieren, aber bleibt Entscheider:innen.
Denn nur ihr kennt eure Kundschaft,
euren Markt und Unternehmenskultur.
Folie 19:
KI kann analysieren – aber keine Zielgruppe kennen.
KI erkennt Muster:
Alter, Sprache, Klickverhalten.
Aber sie kennt keine persönlichen Geschichten.
Keine Biografien.
Keine Eigenheiten.
Ich denke bei einer Predigt nicht nur an
‚Menschen zwischen 65 und 80‘ –
ich denke an Frau Martens aus dem Chor
und Herrn Hoffmann aus der Hospizgruppe.
Und ihr denkt vielleicht an Kundinnen,
die ihr seit Jahren kennt.
Die man nicht in Daten spürt.
KI hilft beim Überblick – Nähe entsteht nur durch euch.
Folie 20:
KI kann schreiben – aber keine Haltung haben.
KI formuliert flüssig. Schnell. Strukturiert.
Aber sie kennt kein Warum.
Keine Überzeugung.
Keine Haltung.
Ich lasse mir Vorschläge machen –
aber ich prüfe, ob es wirklich das ist,
was ich sagen will.
Eure Texte tragen eure Stimme.
Eure Werte.
Wenn sie austauschbar werden,
wird euer Unternehmen es auch.
Deshalb: Haltung bleibt Handarbeit.
Folie 21:
KI liefert Beispiele – aber ihr macht sie glaubwürdig.
In der Predigtarbeit kann mir KI Geschichten vorschlagen,
Zitate bringen, passende Metaphern liefern.
Das ist hilfreich – aber oft spüre ich:
Das klingt richtig, aber nicht nach mir.
Und dann ergänze ich. Oder ersetze.
Oder erzähle meine eigene Geschichte.
Bei euch ist das nicht anders:
Ein Text, ein Bild, ein Werbeslogan ist schnell generiert.
Aber glaubwürdig wird’s erst,
wenn etwas von euch darin auftaucht –
Erfahrung, Ton, Kontext.
KI kann Beispiele bringen.
Aber das Beispiel wird erst dann stark,
wenn es zu eurer Geschichte passt.
Folie 22:
„Um KI als Werkzeug zu benutzen, muss man zuerst das Handwerk verstehen.“ – M. Krüger
Wir sehen:
Jeder Schritt – von der Themenwahl
über das Schreiben bis zum Finetuning –
lässt sich mit KI gestalten.
Aber entscheidend bleibt:
Ich muss wissen, was ich tue.
Wo die Maschine helfen darf.
Und wo ich selbst gefragt bin.
Das ist nicht anders bei euch.
Auch ihr habt euer Handwerk:
Botschaften formulieren, Vertrauen aufbauen.
KI kann da unterstützen – aber sie kennt eure Werte nicht.
Eure Kundinnen. Euren Ton.
KI kann mir sagen, wie ich es sagen könnte.
Aber nicht, ob ich es sagen sollte.
Wer das Handwerk kennt, bleibt souverän.
Wer es auslagert, wird abhängig.
Darum mein Fazit: Nutzt KI.
Aber vergesst euer Handwerk nicht.
Denn am Ende ist nicht das Tool entscheidend –
sondern, wie ihr es einsetzt.
Teil 4: Ausblick & Appell
Folie 23:
„Und was machen wir jetzt damit?“
Kirche ist vielleicht nicht die erste Adresse,
wenn ihr an KI denkt.
Aber vielleicht eine,
von der man gerade deshalb etwas lernen kann.
Denn die Kirche steht seit jeher
im Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation.
Zwischen Wort und Wirkung.
Zwischen dem, was Menschen bewegt,
und dem, was sie miteinander verbindet.
Und genau da wirkt KI hinein.
Ich bin kein KI-Experte per se.
Ich bin Nutzer. Lernender.
Und jemand, der Ethik ernst nimmt.
Ich stehe hier nicht, weil ich mehr über Technik weiß als ihr.
Sondern weil ich einen anderen Blick
auf dieselbe Frage mitbringe:
Wie gehen wir als Gesellschaft mit etwas um,
das unsere Kommunikation,
unsere Beziehungen und unser Selbstverständnis verändert?
Mein USP ist:
Ich komme aus einer Welt, in der Worte etwas bedeuten.
In der Vertrauen nicht verhandelbar ist.
In der Menschen auch nach zwei Jahrtausenden noch
über „Wahrheit“ streiten.
Und gerade deshalb kann ich einen Beitrag leisten
zur Diskussion über KI.
Weil diese Technik in denselben Raum vordringt:
den der Sprache, der Sinngebung, der Orientierung.
Und ich glaube:
Ihr steht in Unternehmen ebenfalls
in einem besonderen Spannungsfeld.
Ihr seid nah an den Menschen.
Ihr müsst Entscheidungen treffen, die Wirkung zeigen.
Und ihr habt nicht immer die Zeit,
euch durch ethische Grundsatzpapiere zu arbeiten.
Aber gerade deshalb braucht es euch:
als die, die üben, wie verantwortliches Handeln
unter Echtzeitbedingungen aussieht.
Ihr müsst keine Ethik-Kommissionen gründen.
Aber ihr solltet euch fragen:
Warum setzen wir KI überhaupt ein?
Wie nutzen wir Technologien,
deren Wirkung uns selbst noch Fragen stellt?
Wie setzen wir Tools ein, die unsere Sprache mitgestalten –
und damit auch unsere Kultur –
ohne dass wir genau wissen, wie sie das tun?
Es geht nicht um ein Nein zur Technik.
Sondern um ein Ja zur bewussten Nutzung.
Um die Frage:
Was passt zu unserem Stil, unserer Haltung, unserem Anspruch?
Und was überlassen wir vielleicht bewusst dem Menschlichen – weil gerade das Vertrauen schafft?
Folie 24:
Bleibt aufrichtig. Bleibt mutig. Bleibt menschlich.
Meine Einladung ist:
Bleibt aufrichtig. Bleibt mutig. Bleibt menschlich.
Denn genau das macht euch als Unternehmen stark.
Und genau das brauchen wir als Gesellschaft –
nicht nur in der Kirche, sondern überall,
wo Menschen mit Menschen arbeiten.
Lasst uns nicht nur über Effizienz nachdenken.
Sondern über Verantwortung.
Über Wirkung.
Über das, was bleibt, wenn alle Tools mal ausgefallen sind.
Diese Verantwortung liegt nicht bei einzelnen Branchen
oder Berufen – sie liegt bei uns allen.
Kirche, Unternehmen, Gesellschaft.
Vielleicht ist es kein Zufall,
dass ausgerechnet ein Kirchenmensch euch das heute sagt.
Denn mein Alltag ist genau wie eurer:
Ich arbeite mit Menschen.
Ich arbeite unter Zeitdruck.
Ich arbeite mit Technik.
Und ich trage Verantwortung für Inhalte,
die mehr sind als reine Informationen.
Für Worte, die wirken. Für Beziehungen, die tragen.
Das ist meine Perspektive.
Das ist mein Beitrag.
Und das ist auch meine Hoffnung:
Dass wir mit all den Möglichkeiten, die uns KI bietet,
nicht aufhören, an das zu glauben,
was uns menschlich macht.
Vielen Dank.
Ich freue mich auf eure Fragen.
Ein Vortrag von Digitalpfarrer Christoph Martsch-Grunau, www.elektropastor.de
Weitergabe ausdrücklich erlaubt und erwünscht.