Was ist mir heilig?

Ein Statement / eine Predigt, gehalten im Rahmen der Gottesdienstreihe “Was ist uns heilig?” der kath. St. Marien-Gemeinde Delmenhorst.

Danke, Guido, für diese Frage: Was ist mir heilig?

Da muss ich in meiner Vergangenheit anfangen. Heiligkeit ist ein Thema, das für mich lange schwierig und fremd war. Ich bin in meiner Schulzeit und frühen Studienzeit davon geprägt worden, dass „Heilige anbeten verboten” sei, und das hat mir den Zugang zum Heiligen erschwert.

Ich habe lieber weggeguckt als hingeschaut.

Doch irgendwann stellte ich mir die Frage: Wer sind diese Heiligen eigentlich? Und was haben sie mit mir zu tun? Und dann gibt es auch Dinge und Sachen, die heilig sein können – zum Beispiel im Abendmahl.

Was geschieht mit der Materie aus Oblate und Wein nach der Einsetzung?

Ist es eine Erinnerung an das Handeln Gottes?
Ist Gott in der Austeilung mittendrin unter uns?
Oder werden die Objekte zu Manifestationen der Heiligkeit Gottes?

Fragen, die zur Spaltung von Kirchen geführt haben. Das tut mir weh.

Ich persönlich fremdele damit, wenn das Heilige auf fehlbare Menschen oder vergängliche Sachen angewendet wird.

Wenn ich über Heiligkeit in Bezug auf Gott nachdenken, wird es leichter.

Denn das Handeln Gottes an den Menschen ist vollkommen und gut – in einer Weise, wie wir Menschen es niemals nachahmen können.

Ich habe überlegt, wie ich meinen Standpunkt zum Heiligen heute Abend verdeutlichen kann. Dann kam ein lieber Mensch, der Heiner, und hatte eine Frage an mich:

„Sag mal, Christoph, du bist doch evangelisch. Warum bekennt ihr eigentlich, dass ihr an die Gemeinschaft der Heiligen glaubt. Was bedeutet das für dich?“

„Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen.“

So oft habe ich dieses Bekenntnis schon gesprochen, und wie oft habe ich mich das selbst gefragt: Wer sind diese Heiligen überhaupt.

Diese Frage hat mich nicht losgelassen und ich will versuchen, den Antworten auf die Spur zu kommen.

Also: Augen öffnen für das Heilige.

Zunächst eine Begriffsklärung, wer Heilige sein können:

Der Theologe Nathan Söderblom versucht es so: „Heilige sind Menschen, durch die es den anderen leichter wird, an Gott zu glauben.”

Das erscheint mir schlüssig.

Und wie sieht das meine Kirche sonst?

In der evangelisch-lutherischen Kirche schauen wir auf das Heilige aus verschiedenen Perspektiven. Wir glauben daran, dass nur Jesus Christus als Mittler zwischen uns und Gott fungieren kann, deshalb ist es problematisch, Heilige um Hilfe zu bitten.

Aber trotzdem können wir auch Positives mit den Heiligen verbinden.

Wir können uns an sie erinnern, um unseren Glauben zu stärken. Die Kirche verstehen wir als eine Gemeinschaft mit Christus und mit allen Märtyrern und Heiligen, die bereits das Heil innehaben. Doch das Ganze geht nicht nur um die Vergangenheit, sondern auch um die Gemeinschaft der Menschen hier und jetzt.

Augen auf für die Gemeinschaft! Ist das so einfach?

Manchmal fühle mich ein wenig wie der Blindgeborene in Joh 9:

Angesichts des Leidens und der Fehler auf dieser Welt, sehe ich die Heiligkeit Gottes nicht mehr, versinke in unheiligen Gedanken, Worten, Taten.

Ich sitze sozusagen unbeteiligt am Straßenrand, die Augen geschlossen, hoffnungslos, deprimiert.

Doch dann kommt Jesus vorbei.

Er nimmt sich Zeit für mich, bereitet ein Heilungsrezept vor.

Jesus weiß um den Brei, der sich mein „Leben” nennt. Er weiß um das Chaos in mir, er weiß vom un-heiligen in meiner Seele.

Und Jesus weiß um den Brei, der mir die Augen öffnet. Die Augen öffnet für das Heilige. Jesus zeigt mir auf, dass ich fehlbar bin.

Trotzdem bin ich in seinen Augen Teil der „Gemeinschaft der Heiligen”. Er trägt die Sünde, die ich nicht alleine tragen kann. Er wehrt das Unheilige ab.

Die evangelische Kirche im Kirchenkreis Delmenhorst/Oldenburg-Land macht die Augen auf für neue Wege, um die „Gemeinschaft der Heiligen” auch im digitalen Raum anzusprechen.

Seit Anfang letzten Jahres arbeite ich als sogenannter „Digitalpfarrer” oder „Elektropastor” im Kirchenkreis. Zu meinen Aufgaben gehört es, die Gemeinden vor Ort mit der Hilfe digitaler Möglichkeiten zu vernetzen und auf Social Media andere von Kirche zu begeistern.

Was ist mir bei dieser Arbeit heilig?

Das Evangelium: Gott liebt die Welt und sandte seinen Sohn, um uns von der Sünde zu befreien. Ich möchte diese Botschaft analog und digital teilen.

Würde und Wohl jedes Menschen: Im Internet können Hass und verbale Gewalt Menschen verletzen. Ich möchte einen sicheren Social-Media-Raum schaffen, in dem du du selbst sein kannst.

Aufrichtigkeit: In einer Welt, in der das Laute und Schrille herrschen, möchte ich ehrlich bleiben, zuhören und aufeinander achten.

Gemeinschaft und Beziehungen: Als Christinnen und Christen sind wir dazu berufen, in Beziehung zu leben und uns zu unterstützen. Ich möchte echte Beziehungen aufbauen und Menschen helfen, in ihrer Beziehung zu Gott und anderen zu wachsen.

Und das alles kann ich nicht allein tun.

Dass wir als Gemeinschaft zusammenkommen und Gott loben und preisen, seine Heiligkeit anbeten, das ist nicht selbstverständlich. Ich bin dankbar, wenn wir gemeinsam wirken können.

Vor ein paar Wochen haben wir in der 12 Apostel Kirche einen digitalen Gottesdienst mit einer Kirche in Graz gefeiert. Wir haben gemeinsam gefeiert, als ob wir in einem Kirchgebäude wären — also: Zwei Kirchen, ein Gottesdienst.

Als „Gemeinschaft der Heiligen” wurden wir über das Internet zusammengebracht. Wir haben uns ermutigt und gestärkt.

Der digitale Raum braucht wie der analoge gegenseitige Liebe, Vergebung und Vertrauen. Als Digitalpfarrer sehe ich es als meine Aufgabe, diese Werte zu fördern und dazu beizutragen, dass die digitale Gemeinschaft der Heiligen eine positive und stärkende Erfahrung für alle Beteiligten bleibt.

Ich will die Augen offen halten für das Heilige.

Um es mit Epheser 5 zu sagen:

Lasst uns im analogen und im digitalen Raum Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit verbreiten,
uns fernhalten von Werken der Finsternis wie Hass und Gewalt.
Lasst uns offen ansprechen, was der Heiligkeit entgegensteht, damit das Unrecht ans Licht kommt.
Damit wir als Kinder des Lichts unsererseits Gottes Licht weitertragen. Und das Heilige bekannt wird.

Ihr habt mich gefragt, was mir heilig ist.

Es ist die „Gemeinschaft der Heiligen”, analog und digital. Real und handfest. Hell und klar.
Mit offenen Augen.

Amen.

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