„Einschneidende Veränderungen“ – Predigt vom 20.02.2022

Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.

Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft geben müssen.

Hebräerbrief 4,12+13

Liebe Hörerin, lieber Hörer!

Hörst du das?

(Stille)

Diese Ruhe, diese Stille.

PodPredigt
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#005 20.02.2022 Einschneidende Veränderungen
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Es gibt Menschen, die daraus ganze Kunstwerke machen. Der Komponist John Cage zum Beispiel. Sein Stück 4’33” (four minutes, thirty-three seconds) beinhaltet keinen einzigen Ton. An die Stelle von Klängen und Instrumenten treten alltägliche Geräusche.

Wer dieses Stück hört, hat keine andere Wahl, als genau hinzuhören. Und zwar nicht auf die Musik, – es gibt schließlich keine -, sondern auf das, was sonst überhört wird.

Das Knistern von Notenblättern. Das Klappern eines kurz geöffneten Klavierdeckels. Das Atmen anderer Menschen. Geräusche, die von außen in den Saal dringen.

John Cage überlistet seine Hörerinnen und Hörer. Sein Stück erzwingt das Innehalten, auch wenn das nicht sofort offensichtlich ist.

Die Uraufführung 1952 in Woodstock löste einen Skandal aus. Den Anwesenden war die Absicht des Stückes vollkommen unbekannt. Im immer mehr aufbrausenden Ärger verpassten viele das eigentliche: Sie selbst wurden Teil der Aufführung. Sie konnten die schmerzhafte Stille nicht mehr aushalten. Verwirrtes Tuscheln wurde zu lauten Beschwerden. Menschen verließen den Saal. Die Worte der aufgebrachten Gäste sagten vermutlich mehr über sie selbst aus als über das Kunstwerk.

Unserem Predigttext aus dem Hebräerbrief geht ein längerer Abschnitt voraus. Dieser beschäftigt sich mit dem Ruhigwerden vor Gott und das Hören auf sein Wort. Der Verfasser des Briefes ist sich sicher: In lautem Getöse und Geschimpfe lässt sich kein Zugang zu Gott finden.

“Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht.”

Zumachen vor Gottes Wort. Alles besser wissen, sich an das althergebrachte klammern, unreflektiert nachplappern, dabei ein starres Herz bekommen, verletztende Worte verteilen. Das kann nicht die Lösung sein.

Ruhe und Innehalten – statt blinder Eifer und Ungehorsam. So haben wir eine Chance, Gott wahrzunehmen.

Lausche auf die lauten und die leisen Töne.

Hörst du Gott in den Winterstürmen zu dir sprechen? Weht sein Geist wie ein Orkan durch dein Herz und seine Gemeinden?

Oder hörst du Gott leise flüstern, wenn es so richtig still geworden ist? Im leisen Seufzen der Eltern, wenn ihr Kind endlich schläft? Im unterdrückten Schluchzen einer Trauernden? Im durchdringenden Knirschen mahlender Zähne eines Frustrierten?

Wo hörst du Gott sprechen?

(Stille)

Gottes Wort ist laut und leise zugleich. Unabhängig von seiner Lautstärke wirkt es auf uns. Gott zu begegnen bleibt in Erinnerung.

Lebendig – kräftig – schärfer als ein zweischneidiges Schwert. Gottes Wort macht mich “nackig”. Seele und Geist, Mark und Bein, alle meine Sinne werden berührt, getrennt, aufgewühlt. Ich liege mit meinem Innersten ungeschützt vor Gott. Sein Wort findet immer einen Weg ins Herz.

Auch wenn du es nicht immer spürst: Es geschieht. Jeden Tag.

Wo das Wort Gottes auf uns trifft, geschieht etwas. Wo Gott spricht, gibt es einschneidende Veränderungen.

Mit wenigen Worten erschafft Gott Himmel und Erde: “Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht.”

Mit wenigen Worten nimmt Gott seinen Sohn Jesus Christus an: “Du bist mein geliebter Sohn!”

Mit wenigen Worten schenkt dir Gott seine ewige Liebe: “Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!”

Gott verändert uns und unsere Welt.

Auch wenn ich denke “Passiert doch eh nix! Es ist so still.” handelt er an mir, an dir, an seiner Schöpfung.

Veränderungen geschehen fast immer mit großen Worten. Oder soll ich es Krach nennen?

In der Coronakrise wird ziemlich viel gesprochen. Debattiert und beschlossen. Gewerkelt und getan. Nahezu eine Flut an Regeln und Verboten wird über uns ausgegossen. Laut klackern die Tastaturen der Medienschaffenden. Surren die Statusmeldungen in den Smartphones. Unangenehm skandieren sogenannte Querdenker ihre angeblichen Meinungen.

Hören wir noch die leisen Stimmen derjenigen, denen wir am Anfang laut versprochen haben, dass wir sie schützen wollten? Was wird aus denen, die von der Krise überrollt werden? Die tagtäglich einem Sturm von Ungewissheit und der Lebensgefahr ausgesetzt sind?

Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass dieser Krach aufhört. Kein Anschreien mehr. Meinetwegen für four minutes, thirty-three seconds. Viereinhalb Minuten Ruhe.

Ich will auf das hören, was wesentlich ist. Ich will wieder hören können, was lebendig und kräftig ist. Ich will mich dem scharfen Schwert Gottes stellen. Ich will mich verändern lassen – zum Guten.

Hörst du mit?

Amen.

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